Das, was in der Ukraine geschieht, lässt uns nicht kalt, kann uns nicht kalt lassen. Menschen leiden zu sehen, berührt und bedrückt uns, denn wir sind mitfühlende Wesen. Vielen von uns steckt, bewusst oder unbewusst, der Schrecken und die Ängste der vergangenen Kriege oder auch des „Kalten Krieges“ in den Knochen, lasten auf der Seele.
Im Qigong können wir immer wieder versuchen, die angesammelte Spannung zu lösen und unser vegetatives Nervensystem zu regulieren, auch damit wir klardenkend bleiben, innerlich stabil und unsere Kraft bewahrend.
Es ist nicht so, dass wir nichts tun könnten – immerhin können wir großzügig spenden oder auf Kundgebungen, Mahnwachen, zu Andachten oder Demonstrationen gehen. So zeigen wir Solidarität und bringen friedliebenden und mitfühlende Gedanken in die Welt.
Es ist immer wieder erschütternd, wie die Menschheit zu kriegerischen Maßnahmen greift, sich manipulieren lässt, wie immer wieder Feindbilder entstehen. In meiner Beschäftigung mit den Versen von Laotse (Laozi-Projekt) sehe ich die rund zweieinhalbtausend Jahre alten Mahnungen zum Frieden, die sich insbesondere auch an den fiktiven daoistischen Herrscher richten und auch im Westen haben die Texte aus dem Daodejing vor über 100 Jahren, nach dem Ende des verheerenden ersten Weltkrieges, einen Widerhall gefunden. Hermann Hesse schriebe in einer Literaturzeitschrift eine Besprechung von gerade erschienen Übersetzungen des Daodejing:
„Die Weisheit, die uns Not tut, steht bei Lao Tse, und sie ins Europäische zu übersetzen, ist die einzige geistige Aufgabe, die wir zur Zeit haben.“
Der Dichter und Pazifist Klabund (1890 bis 1928) antwortete ihm:
„Ich brauche Ihnen kaum zu sagen, dass ich das Tao Te King für das politische Buch halte, das der Welt augenblicklich am meisten Not täte: als Erlebnis und Verwirklichung.“
Hier folgen einige „Schnipsel“ aus verschiedenen Versen in unterschiedlichen Übersetzung des Laozi, die zu dieser Einschätzung führten, zur Inspiration, zum Trost:
„Gebärdet sich ein Herrscher, als hätte er die Welt erfunden, so wird er nichts Gutes bewirken. Die Erde ist ein heiliges Gefäß – niemand kann sie sein Eigen nennen oder sie verbessern.“ (Vers 29)
„Wenn du jemals einen Führer dieser Welt im Sinne des Dao beraten solltest, dann sage ihm, dass er die Welt nie durch Waffengewalt einschüchtern darf – denn das könnte auf ihn zurückfallen.“ (Vers 30)
„Waffen sind unheilvolle Geräte – kein weiser Mensch gibt sich mit ihnen ab, wenn es nicht unumgänglich ist. Kein Sieg ist ohne Gram; ihn zu feiern bedeutet, sich am Tod unschuldiger Menschen zu erfreuen.“ (Vers 31)
„Um ein Land zu regieren, gebrauche Gerechtigkeit…“ (Vers 57)
„Wird der Staat mit leichter Hand regiert, sind die Menschen einfach und bescheiden.“ (Vers 58)
„Wer gut zu führen weiß, ist nicht kämpferisch…“ (Vers 68)
„Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser. Und doch, in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt ihm nichts gleich.“ (Vers 78)